Bund-Länder-Rundfunkkommission für die neue Medienordnung - ein Staatsstreich mit Ansage, 27.02.2015: 

Diesen Brief habe ich im Rahmen der Anhörung zum 17. ZDF-Staatsvertrag am 27.02.2015 eingereicht. Die Rundfunkommission hat den Brief zusammen mit anderen Stellungnahmen zum 17. Staatsvertrag veröffentlicht.



Gustav Wall
Haarenufer 16
26122 Oldenburg

 


Rundfunkkommission der Länder
Vorsitzende Malu Dreyer
Staatskanzlei Rheinland-Pfalz
Peter-Altmeier-Allee 1
55116 Mainz



Bund-Länder-Rundfunkkommission für die neue Medienordnung - ein Staatsstreich mit Ansage

Anhörung zum 17. ZDF-Staatsvertrag


Sehr geehrte Frau Vorsitzende,
Sehr geehrte Damen und Herren,

 

Nach einer Lektüre des Konvergenzgutachtens [21] sowie einschlägiger online verfügbaren Quellen ließ mich die Aussage "Meine Prognose geht dahin, dass man bezüglich der im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD explizit benannten Schnittstellen Medienaufsicht, Telekommunikationsrecht und Wettbewerbsrecht in der geplanten Bund-Länder-Kommission in der Mehrzahl der Fälle zu Verfahrens-Absprachen unterhalb der staatsvertraglichen Ebene wird kommen können" [19] des Chefs der Hessischen Staatskanzlei Axel Wintermeyer aufhorchen. Angesichts der Tragweite und der Wucht der von den Länderchefs mit der neuen Medienpolitik avisierten Änderungen grenzt für mich das Verhalten der Länderväter und Ländermütter mit einem Staatsstreich - einem Staatsstreich mit Ansage. Die Praxistauglichkeit des novellierten 17. ZDF-Staatsvertrag lässt sich nur im Gesamtkontext dieser Medienpolitik feststellen. Nach umfangreichen Recherchen habe ich mehr und mehr den Eindruck gewonnen, dass die Wirkung des jüngsten Bundesverfassungsgericht-Urteils zum ZDF-Staatsvertrag [20] verpufft folgenlos und die Veranstaltung "Fernsehrat" zu einer Farce degradiert wird, falls die Politik und die Medienkonzerne die neue Medienordnung [5] nach eigenen Vorstellungen ohne Einbeziehung der Zivilgesellschaft gestalten.

Mit der "neuen Medienordnung" versuchen die politischen Eliten das vom Bundesverfassungsgericht erzwungene Medienstaatsvertrag zu unterwandern. Solche bürokratische Tricks wie die zitierte "Verfahrens-Absprachen unterhalb der staatsvertraglichen Ebene" haben es verdient, um als solche, als Tricks und Mauscheleien benannt zu werden. Und angesichts dieser Tricks und Mauscheleien braucht sich das politische Establishment nicht zu wundern, wenn ein Mißtrauen zu etablierten Parteien und etablierten Medien sowie eine Politikverdrossenheit sich weiter breit machen.

Begründung

"Ziel der Länder in diesem Prozess ist der Erhalt von Vielfalt und kommunikativer Chancengleichheit in einer konvergierenden Marktsituation sowie die Schaffung von Planungssicherheit für die in Deutschland ansässigen Medienunternehmen. Die Ländergemeinschaft wird daher in Auseinandersetzung mit dem Gutachten eine eigenständige gemeinsame Grundlage erarbeiten, um ab Anfang 2015 gut vorbereitet in eine Bund-Länder-Kommission für eine konvergente Medienordnung gehen zu können." - zitiert aus der Pressemitteilung "AG Medienstaatsvertrag. Medienvielfalt fördern", 17.10.2014 - http://www.rlp.de/no_cache/einzelansicht/archive/2014/october/article/medienvielfalt-foerdern/.

Nach einer gründlicher Lektüre des Konvergenzgutachtens [21] und einschlägiger online verfügbaren Quellen bin ich zu dem Schluss gekommen, dass den im Gutachten ohne Einbeziehung der Zivilgesellschaft entwickelten Handlungsoptionen ein ganzheitliches Konzept fehlt. Diese Konzeptlosigkeit hat nach meinem Verständnis folgende Ursachen:

  1. zu starker Einfluss von zahlungskräftigen Medienkonzernen, wie Google und RTL Group, um einige Konzerne namentlich zu nennen, bei der Entwicklung von Handlungsoptionen im Konvergenzgutachten. Das Unternehmen Google ist ein Drittmittelgeber in zwei und die RTL Group in einem der Institute, in den der Autor des Konvergenzgutachtens Prof. Dr. Wolfgang Schulz [15] geschäftsführender Direktor ist.
  2. der Interessenkonflikt, in dem sich die SPD als Unternehmens(teil)eignerin [4] und als Regierungspartei, die dabei ist mit der "neuen Medienordnung" die Rahmenbedingungen für diese Unternehmen zu ändern, befindet.

Es geht um's Geld

Die Ankündigungen der Medienkonzerne, mit "wünschenswerten ordnungspolitischen Zielen – gemeinhin auch als public value bezeichnet" "besondere Vielfaltsanforderungen" [23] erfüllen zu wollen eignen sich zwar gut, um Schlagzeilen zu machen, aber der Medienwirtschaft geht's bei der Gestaltung der neuen Medienordnung um's Geld. Und das kann ich der Medienwirtschaft nicht einmal übelnehmen - das ist ihr Job und die voraussichtlich über eine Milliarde gebildeten Rücklagen aus Rundfunkgebühren [22] wecken verständlicherweise Begehrlichkeiten. Ich erwarte aber von den gewählten Politikern in dem Moment, wenn sie dabei sind, mit den Wirtschaftsverbänden, hier VPRT, bestimmte Vereinbarungen auszuhandeln, ihre parteipolitische Interessen zurückzustellen und sich um das Gemeinwohl zu kümmern.

Ich bitte:

zu berücksichtigen.

Anlage 1

"neue Medienordnung"-Beziehungsnetzwerk


1) zum Google-Schriftzug s. [16]; 2)Das Bild kann hier heruntergeladen und mit der freien Software GIMP weiterverarbeitet werden.

Die Gutachter warnen, dass, wenn es um das Thema Meinungsvielfalt geht, "einmal eingetretene Fehlentwicklungen – wenn überhaupt - nur bedingt und nur unter erheblichen Schwierigkeiten rückgängig gemacht werden könnten" - Gutachten „Konvergenz und regulatorische Folgen“, Seite 54. Mit Rücksicht darauf sehe ich einen dringenden Handlungsbedarf dahingehend, dass die Expertise der Zivilgesellschaft bei der Gestaltung der neuen Medienordnung [14] eingeholt wird. Mit der Zeichnung "neue Medienordnung"-Beziehungsnetzwerk habe ich schematisch meinen Kenntnisstand bezüglich der Beziehungen der beteiligten Akteure bei der Entwicklung der neuen Medienordnung dokumentiert. Die Beteiligung der SPD an den Druck- und Verlagshäusern [4] ist auf der Zeichnung nicht abgebildet, ich nehme aber an, dass nachhaltiges Interesse seitens SPD zum Thema "neue Medienordnung" damit angefeuert wird, dass die Medienkonvergenz, die turbulente Umwälzungen auf dem Medienmarkt auch die SPD-Unternehmensbeteiligungen existenziell gefährden.

Im Mittelpunkt steht m.E. der offensichtliche Interessenkonflikt, mit dem Prof. Dr. Wolfgang Schulz [15] konfrontiert wurde, als er den Auftrag angenommen hat, das Gutachten zur neuen Medienordnung [5] zu erstellen. Bspw. ist im Gutachten [5] der Handlungsbedarf für die Sicherung der Meinungsvielfalt schwerpunktmäßig mit der marktbeherrschenden Stellung von Google begründet. Um dieser marktbeherrschenden Stellung entgegenzusteuern, haben die Gutachter entsprechende Handlungsoptionen vorgeschlagen. Hier stehen die Interessen von Google als Drittmittelgeber für beide Institute, die Prof. Dr. Schulz als Direktor leitet, im Widerspruch zu den Interessen des Auftragsgebers für das Gutachten, was in meinen Augen die Glaubwürdigkeit von den o.g. Handlungsoptionen erheblich beschädigt.

Google saugt das know-how ab - der Staat hilft mit


LU€$I-Satire:
1) zum Google-Schriftzug s. [16]
Weitere zwei Bilder sind unter CC BY-SA 3.0 über Wikimedia Commons lizenziert:
2) "Stralsund, im Meeresmuseum (2013-02-13), by Klugschnacker in Wikipedia (49)“ von Klugschnacker - Eigenes Werk.
3) „Heiztrichter“ von Talos aus der deutschsprachigen Wikipedia.

Dass Google Inc. ein gewinnorientiertes börsennotiertes Unternehmen ist und den Investoren gegenüber verpflichtet ist, die Geschäftsinteressen zu verfolgen, ist allgemein bekannt. Und mit Rücksicht auf diese Sachlage sind die Millionen Euros, die Google seit drei Jahren in die Alexander von Humboldt Institut für Internet und Gesellschaft gGmbH (HIIG gGmbH) [3] investiert, mit Vorsicht zu genießen [1]. Ich als außenstehender Laie habe ernsthafte Sorgen, dass den Interessen des deutschen Staates insgesamt und den Interessen aller Bundesbürger mittel- und längerfristig ein erheblicher Schaden zugefügt wird, wenn seitens der staatlichen Stellen keine ausreichende Maßnahmen getroffen werden, um:

  1. den Abfluß von know-how an Google Inc. zu verringern und die Interessen der Zivilgesellschaft sowie die Interessen kleiner und mittleren Unternehmen auf dem Weg zur neuen Medienordnung [14] zu schützen. Unter anderem zu gewährleisten, dass diese Dokumente in deutscher Sprache veröffentlicht werden:
    • die Forschungergebnisse des HIIGg GmbH, in der der Bund und das Land Berlin insgesamt 66,66% [2], [3] Anteile halten
    • der jährliche Forschungsbericht des HIIGgGmbH [6] .
  2. Weiterhin zu gewährleisten, dass kein Einfluss seitens Google Inc. auf die Gestaltung der neuen Medienordnung [14] ausgeübt wird.

Bspw. sehen die Förderbedingungen bei der Förderung von Vorhaben der Industriellen Gemeinschaftsforschung vor: "Eine Veröffentlichung der Ergebnisse eines öffentlich geförderten Forschungsvorhabens ist die aktive Bekanntmachung der nach Ende des Bewilligungszeitraums vorliegenden Forschungsergebnisse für die interessierte Öffentlichkeit in der Bundesrepublik Deutschland in deutscher Sprache in einer der nachstehend genannten Formen. Die deutschsprachige Information ist unverzichtbar wegen der verfolgten Zielsetzung, insbesondere kleinen und mittleren deutschen Unternehmen (KMU) den Zugang zu praxisnahen Forschungsergebnissen zu ermöglichen. " [7]

Was für die industrielle Forschung gilt, bleibt auch für die Forschungen im Bereich Internet und Gesellschaft, die von der HIIG gGmbH betrieben werden, gültig. Interessierte Öffentlichkeit in Deutschland hat nur dann eine Chance, einen Zugang zu den Forschungsergebnissen zu bekommen, wenn die Forschungsergebnisse und Forschungsberichte in deutscher Sprache online gestellt werden. Nur dann können die Forschungsergebnisse und Forschungsberichte in den Ergebnislisten von Suchmaschinen erscheinen, wenn Bürgerlnnen Suchanfragen mit deutschen Suchbegriffen machen.

Quellen


LU€$I-Satire: 1)
Theprocessionofthetrojanhorseintroybygiovannidomenicotiepolo von Giovanni Domenico Tiepolo - Eigenes Werk. Lizenziert unter Gemeinfrei über Wikimedia Commons.
2) zum Google-Schriftzug s. [16]

[1] "Vergil: Traut nicht dem Pferde, Trojaner! Was immer es ist, ich fürchte die Danaer, auch wenn sie Geschenke tragen.“ ..."Ein Danaergeschenk (gesprochen Da-na-er-geschenk) ist ein Geschenk, das sich für den Empfänger als unheilvoll und schadenstiftend erweist.

Der Begriff stammt aus der griechischen Mythologie. Benannt ist es in Anlehnung an das hölzerne Trojanische Pferd, mit dessen Hilfe die „Danaer“ (bei Homer eine Bezeichnung für die Griechen/Hellenen überhaupt) die Stadt Troja eroberten." - Zutiert aus https://de.wikipedia.org/wiki/Danaergeschenk
[2] "Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung gGmbH" im Beteiligungsbericht des Bundes 2013 - http://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Standardartikel/Themen/Bundesvermoegen/Privatisierungs_und_Beteiligungspolitik/Beteiligungen_des_Bundes/Beteiligungsbericht-Anlage-2013.pdf#page=123
[3] "Stammkapital, Geldeinlagen und Ausschluss der Gewährträgerhaftung" im Gesellschaftsvertrag Alexander von Humboldt Institut für Internet und Gesellschaft - http://www.hiig.de/wp-content/uploads/2012/03/Gesellschaftsvertrag_AvH-Institut_f_Internet_u_Gesellschaft_gGmbH.pdf#page=2
[4] "Die Deutsche Druck- und Verlagsgesellschaft mbH (DDVG; Eigenschreibweise: ddvg) mit Sitz in Berlin und Zweigniederlassung in Hamburg ist eine Medienbeteiligungsgesellschaft der SPD." - https://de.wikipedia.org/wiki/Deutsche_Druck-_und_Verlagsgesellschaft
[5] AG Medienstaatsvertrag. Medienvielfalt fördern, 17.10.2014 - http://www.rlp.de/no_cache/einzelansicht/archive/2014/october/article/medienvielfalt-foerdern/
[6] HIIG GmbH: Unsere Forschung - www.hiig.de/forschung/
[7] Veröffentlichung der Forschungsergebnisse - http://www.aif.de/index.php?id=252&L=0
[8] http://www.buergerdialog-bmbf.de/
[9] Gegen Mauscheleien und geheime Absprachen? Mit seinem Transparenzportal bietet Hamburg Akteneinsicht für alle, 25.02.2015 - http://www.deutschlandfunk.de/transparenzportal-hamburg-gegen-mauscheleien-und-geheime.1771.de.html?dram:article_id=312407
[10] Blog eines Datenschutzsachverständigen, 18.10.2012 - https://extdsb.wordpress.com/2012/10/18/ergebnisse-der-vorbereitenden-workshops-internationale-datenschutzkonferenz-17-18-oktober-2012-in-berlin/
[11] Internationaler Datenschutzkongress des BMI 2012 vom 17./18.10.2012, 20.02.2015 - http://sprechrun.de/web21/fileadmin/Zivilgesellschaft/neue-medienordnung-plus/BMI/Internationaler_Datenschutzkongress/Internat_Datenschutzkongr_Antwort_BMl_Z_I_4_13002_4_Nr_523.pdf
[12] Suche nach Medienordnung auf hamburg.de - https://duckduckgo.com/?q=site%3Ahttp%3A%2F%2Fwww.hamburg.de+medienordnung
[13] Nationaler IT-Gipfel in Hamburg. Scholz: Die Möglichkeiten des digitalen Fortschritts nutzen, 14.10.2014 - http://www.hamburg.de/pressearchiv-fhh/4388658/2014-10-08-pr-it-gipfel/
[14] neue Medienordnung - ein Schnelleinstieg, 06.02.2015 - http://luesi.sprechrun.de/?id=2362
[15] Prof. Dr. Wolfgang Schulz; abgerufen am 26.02.2015 - http://www.hans-bredow-institut.de/de/mitarbeiter/prof-dr-wolfgang-schulz
[16] Für den Google-Schriftzug wurde das Bild von ence verwendet. Dieses Bild ist unter der Creative-Commons-Lizenz veröffentlicht.
[17] Medienkartellrecht, Kartellrecht - http://medien21.sprechrun.de/?id=2124#c2101
[18] Novellierter ZDF-Staatsvertrag, 30.01.2015 - http://www.rlp.de/no_cache/einzelansicht/archive/2015/january/article/-06efcc2dce/?Fsize=01%253D1%23navigation&cHash=6de438fc580350da68abcd710d436024
[19] Digitale Medienordnung: Länder werden auf Kompetenzen nicht verzichten, 27.08.2014 - www.medienpolitik.net/2014/08/medienordnung-keine-rundfunkregulierung-durch-den-bund/
[20] Bundesverfassungsgericht verurteilt Staatsnähe des ZDF, 25.03.2014 - https://www.piratenpartei.de/2014/03/25/bundesverfassungsgericht-verurteilt-staatsnaehe-des-zdf/
[21] Gutachten „Konvergenz und regulatorische Folgen“, 17.10.2014 - www.hans-bredow-institut.de/webfm_send/1049
[22] Rundfunkgebühr sinkt, aber nur um 48 Cent, 14.03.2014 - www.mediencity.de/Rundfunkgeb-hr-sinkt-aber-nur-um-48-Cent.6910.0.2.html
[23] Regulierung meets Konvergenz, 09.01.2014 www.medienpolitik.net/2014/01/rundfunk-regulierung-meets-konvergenz/
[24] Wie die neue Medienordnung Deutschlands und Europas Zukunft prägen wird, 27.02.2015 - http://neue-medienordnung-plus.sprechrun.de/?id=2429